Was ist das? Und wann benützt
man es?
Wenn es um Stringwalking beim Blankbogenschießens geht scheiden sich die Geister. Meist allerdings aus purer Unkenntnis. Besonders interessierten Einsteigern wird es aber auch nicht leicht gemacht – wer keinen Stringwalker im Verein hat, muss sich die spärlichen Infos mühsam zusammenklauben, autodidaktische Bemühungen werden so schnell zur Odyssee. Vielleicht kann ich helfen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Denn wenigstens ausprobiert haben sollte jeder Bogenschütze die wahrscheinlich präziseste Art, einen visierlosen Bogen zu schießen! Sehen wir uns zunächst an, wie es sich bei Visierschützen verhält. Einige werden das Pinvisier kennen oder nutzen selbst eins. Je weiter das Ziel entfernt ist, desto höher muss die linke Hand (für Rechtshänder) den Bogen halten, um den Abschusswinkel zu vergrößern und so die Parabel des Pfeilfluges ausgleichen, klar. Bei den olympischen Recurveschützen wird der komplette Visierblock in Relation zur Distanz in der Höhe justiert. Auch bei den traditionellen Systemschützen, die Gap oder Split Vision nutzen, verhält es sich so: die Bogenhand hält je nach zu schießender Entfernung höher oder tiefer und genau genommen trifft das auch auf Instinktivschützen zu. Hier läuft der Zielprozess nur weniger bewusst ab, unterscheidet sich aber technisch nicht von den vorgenannten Systemen. Einfach gesagt, basiert das Stringwalking darauf, dass man die Pfeilspitze im Gold liegen lässt, während man seinen Abgriff auf der Sehne variiert. Man muss also, je näher man dem Ziel kommt, immer tiefer an der Sehne abgreifen, während der Nockpunkt konstant bleibt. Und wenn man in Gegenrichtung mit der Zughand ganz oben angekommen ist, also quasi mit Untergriff schießt, wie heißt das dann? Richtig, Nullpunkt. Der sollte nach Möglichkeit im Bereich der weitesten Wettkampfdistanz liegen, so macht man sich das Leben recht leicht. Das ist aber nix Neues unter der Sonne, das weiß eigentlich jeder, der Walkt. Tja, aber wie weit muss man denn denn nun abgreifen? Klar, das ist wie einem Visier, das muss man selber ausschießen. Es gibt aber an den Tabs Marken, an denen man sich orientieren kann. Die Regelwerke zu diesen Markierungen sind mitunter stark im Wandel, was aber immer zulässig ist, ist die herstellerseitig vorhandenen Markierungen zu nutzen
Ganz anders dagegen beim Stringwalking! Anstatt den Bogenarm zu heben oder zu senken, wird das andere Ende des Pfeiles abgesenkt oder angehoben. Die Pfeilspitze als Visier(ersatz) zeigt immer ins Gold, der Drehpunkt muss sich demnach ans andere Ende verlagern, also zum Nock. Um das reproduzierbar hinzubekommen, ist man auf die Idee gekommen, Markierungen auf dem Tab zu nutzen und „abzugreifen“. Man greift also nicht mehr mediterran oder split finger in die Sehne, auch nicht mit einfachem Untergriff wie three under oder Apachegriff (ein Finger berührt die Nocke) sondern deutlich tiefer. |
Stringwalking...Technische Voraussetzungen Die Wurfarme werden beim
Abgreifen asymmetrisch belastet,
das ist purer Stress für jeden Bogen. Olympische Recurves halten das aus, können im Tiller angepasst werden und bieten die Möglichkeit, eine Magnetpfeilauflage zu nutzen. Aus dem Grund schießen praktisch alle Stringwalker ein Metallmittelstück mit Steckwurfarmen, meist ILF (das von Hoyt entwickelte International Limb Fitting System). Das kann durchaus gebraucht und alt sein oder man wählt ein preiswertes beim Händler aus. Jedes ist geeignet, mein Blankbogenmittelteil habe ich gebraucht im Internet erworben. Die Pfeilauflage sollte von der robusten Sorte sein. Achtung: Alle diese Auflagen brauchen einen Button, hier muss man aber nicht unbedingt tief in die Tasche greifen. Der Decut ZX ist preiswert und gut, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Was fehlt noch? Tab: Die Nähte müssen gut erkennbar sein, es muss „passen“ und das Leder, am besten Cordovan, sollte auch im Regen noch gut funktionieren und ein sauberes Release ermöglichen. Der ungarische Lederkünstler Laszlo Varga stellt erstklassige Tabs (auch für mediterrane Schützen) her, zu empfehlen sind aber auch Tabs von anderen Herstellern. Wurfarme: am
Anfang unbedingt ein niedriges Zuggewicht
wählen! Die Belastung für die Schulter- und Rückenmuskulatur ist
enorm. Pfeile: dünne (.166″ Innendurchmesser) Carbonpfeile sind der Standard. Wettkampf- Schützen verwenden auch gern A/C-Pfeile wie den Easton ACE, diese Präzisionsteile sind allerdings exorbitant teuer und auch überhaupt nicht notwendig. Empfehlen ich Pfeilschäfte aus Aluminium oder Carbon.
Ein paar Kleinigkeiten noch und man
kann loslegen.
Tiller: Zunächst empfiehlt es sich, die ungleiche Belastung der Wurfarme etwas zu egalisieren und einen neutralen Tiller einzustellen, ganz ähnlich wie für das Schießen mit Untergriff oft empfohlen. Für mediterrane Schützen beträgt der Tiller meist 5 bis 10mm, der obere Wurfarm ist also etwas „schwächer“ als der untere. Für uns Stringwalker sind +/- Null besser. Der optimale Nockpunkt befindet sich oft höher als beim mediterranen Griff, 15 oder 18 mm über dem rechten Winkel sind ein guter Ausgangspunkt. Die Ermittlung des
Nullpunktes (point on
distance) Man beginnt bei einer mittleren
Entfernung, die
Pfeilspitze zeigt immer ins Zentrum. Bei einem moderaten
Zuggewicht
und weder extrem leichten noch besonders schweren Pfeilen landet der
Pfeil üblicherweise etwa 60 bis 90 cm über dem Zielpunkt.
Den Nullpunkt sollte man genau
kennen und präzise ausschießen. Achtung: Der Nullpunkt verändert sich
mit jedem Bogen und bei jedem Pfeilwechsel! ![]()
In diesem Beispiel haben wir folgende Markierungen ausgeschossen: Untergriff ganz oben=Anschlag an
der Sehne: 50m Jetzt wirds spannend! Nehmen wir an, wir haben Folgendes ausgeschossen: Mit Untergriff und bei der obersten Markierung des Tab: Wir zielen mit der Pfeilspitze ins Gold - und treffen auch ins Gold. Unsere ermittelte Entfernung beträgt z.B. 50m. Das ist unser Nullpunkt. Im weiteren Verlauf haben wir
herausgefunden, dass wir bei einer Tab-Markierung von 9 Strichen (von
oben) ebenfalls - wenn wir mit der Pfeilspitze ins Gold gezielt haben,
auch ins Gold getroffen haben. Diesmal allerdings bei einer Entfernung
von 20m. Wenn wir "im Normalfall" mit dem Untergriff schiessen würden, d.h. wenn die Oberkante des Zeigefingers den Pfeil berührt, treffen wir bei 50m tatsächlich auch ins Gold, wenn wir mit der Pfeilspitze ins Gold zielen. Zielen wir bei 20m dagegen ebenfalls mit dem Untergriff - wie oben - auch mit der Pfeilspitze ins Gold, wird unser Pfeil weit über das Ziel hinaus fliegen. Wenn wir aber nun mit dem Daumennagel die 9 Striche auf dem abgebildeten Tab mit dem Daumen auf der Sehne fixieren und mit dem Tab nach unten rutschen, so dass die Oberkante am Daumennagel platziert ist, dabei auf 20 m Entfernung zur Scheibe gehen, passiert etwas Besonderes: der Pfeil landet nicht mehr einen Meter über dem Ziel, wenn die Pfeilspitze genau ins Gold zeigt, sondern er trifft. Tja, aber wie weit muss man denn
nun abgreifen? Klar, das ist
wie einem Visier, das muss man selber ausschießen. |
![]() ![]() Nullpunkt-Markierung = am Tab oben Bei Entfernungen unterhalb des Nullpunktes: markieren wir den gewünschten Abgriff mit dem Daumennagel ... ![]() ... und rutschen mit dem Tab nach unten, bis seine Oberkante die mit dem Daumen markierte Stelle erreicht. ![]() |