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Die Deutsche Reichsbahn  (1920 - 1945)

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg stand das Deutsche Reich vor einem Scherbenhaufen. Das Kaiserreich gehörte der Vergangenheit an. Die Wirtschaft lag aufgrund des langjährigen Krieges am Boden und zudem belasteten die hohen Reparationsleistungen die Volkswirtschaft auf das Stärkste. Das Deutsche Reich musste insgesamt 8.200 Lokomotiven und mehr als 300.000 Wagons an die ehemaligen Kriegsgegner abliefern. Das über die Kriegsjahre vernachlässigte Schienenverkehrsnetz befand sich in einem desolaten Zustand. Es mussten die aus dem Feld zurückkehrenden Soldaten zunächst transportiert und später wieder in zivilen Beschäftigungsfeldern untergebracht werden, viele davon auch bei der späteren Reichsbahn. Die einzelnen Staatsbahnen der souveränen Landesfürsten mussten in eine neue Ordnung überführt werden, da viele dieser Fürsten- und Königshäuser nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgehört hatten zu existieren. Das Deutsche Reich als Gesamteinrichtung musste vor allem die technisch neuesten Lokomotiven und das besterhaltenste Wagenmaterial an die siegreichen Entente-Mächte abliefern. Ein schwerer Aderlass, der dazu führte, dass an das Weiterführen der bisherigen territorialen Eisenbahngesellschaften nicht mehr zu denken war. Was dem damaligen Reichskanzler Bismarck nicht gelungen war, nämlich die Einigung aller souveräner Bahngesellschaften im Kaiserreich erfolgte nun unter dem Dach der Weimarer Republik und wurde per Order durch die Alliierten Sieger veranlasst.

plakate der deutschen reichsbahn gesellschaftMit Wirkung vom 1. April 1920 endeten die einzelnen Länderbahnen und gingen nun in das Deutsche Reich über. Noch ahnte niemand, dass hieraus eine Erfolgsgeschichte erwachsen sollte, die ihresgleichen suchen würde. Im Oktober 1924 wurde aus den Bahnen des Reiches die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft, kurz DRG nach betriebswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundsätzen gegründet. Bereits Mitte der 20er Jahre konnte die DRG daran gehen, den desolaten Fuhrparkbestand zu rationalisieren. Ein "Engerer Lokomotivbau Ausschuss" wurde mit einem Vereinheitlichungsausschuss damit beauftragt, die vielen Splittergruppen an Lokomotiven aus den einzelnen Ländern zusammenzufassen und einheitliche Grundsätze für den Aufbau neuer Dampflokomotiven zu erstellen; es war die Geburtsstunde der Einheitslokomotiven wie z.B. der Baureihen 01, 03, 41, 42, 44, 78, 86, 94 um hier nur einige zu nennen. Die daraus resultierenden Rationalisierungen führten auch zu einem Konzentrationsprozess innerhalb der Lokomotivbauindustrie. Von 21 Unternehmen blieben schließlich nur neun übrig. Hinzu kam, dass der aufkeimende Individualverkehr bereits frühzeitg von den Verantwortlichen der DRG als große Konkurrenz angesehen wurde. Deshalb ging die Deutsche Reichsbahn seit dem 1. Mai 1933 mit der Einrichtung eines Schnellverkehrs dazu über, ein konkurrenzfähiges Verkehrsmittel auf die Schienen zu stellen. Der Schnellverkehrstriebwagen "Fliegender Hamburger" war vor allem für Geschäftsreisende zwischen Berlin und den anderen deutschen Metropolen gedacht. Doch schon bald war die Akzeptanz des neuen Verkehrsmittels so immens, dass das Schienennetz nach und nach ausgeweitet wurde und schon bald europäische Nachahmer fand. Darüber hinaus wurde mit dem "Rheingold" ein Luxuszug eingerichtet, der im innereuropäischen Betrieb sehr beliebt war. Unterstrichen wurde die Exklusivität des Angebots der DRG auch durch die creme-violette Farbgebung dieser Züge, die sich vom schwarz und grün des sonstigen Wagenparks besonders abhob. Zudem wurde die Stromlinie als probates Mittel zur Geschwindigkeits- und Effizienzsteigerung entdeckt. Die deutsche Schienenfahrzeugindustrie war fortschrittlich und ihr Material war europaweit begehrt und nachgefragt. Das Reisen mit der Bahn galt nicht nur als schick, es war in der Weimarer Republik überhaupt das Transportmittel Nr. 1.

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 veränderte sich die Lage der DRG jedoch nicht zum Positiven. Die DRG musste nun den Autobahnbau, ihre eigene Konkurrenz, als Gesellschaft mitfinanzieren. Zudem verlagerte sich der Schwerpunkt immer mehr in den Bereich der rüstungsrelevanten Güter. Hierzu zählte die Bahn nicht, so dass die nötigen Investitionen in das Schienennetz bald unterblieben. Mit Ausbruch des Krieges wurde der Personenschnellverkehr, das Aushängeschild der DRG eingestellt. Nun galt die Konzentration dem Güterverkehr. Alles wurde auf kriegswichtige Produktion ausgerichtet. Es hieß nun "Räder müssen Rollen für den Sieg". Dabei wurde die Leistungsfähigkeit der DRG von den Nazis grundsätzlich überschätzt. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 war es nun erforderlich sehr viel Material an die weit entfernte Front zu transportieren. Da jedoch die nötigen Investition bisher ausgeblieben waren, mussten die Transporte lediglich mit den zur Verfügung stehenden Material erfolgen. Es war daher nur eine logische Schlussfolgerung, daß mit dem harten russischen Winter 1942 und dem nicht dafür ausgelegten deutschen Lokomotiven rund 80% des Lokomotivbestands schadbedingt ausfielen. Eiligst wurde nun für den Lokomotivbau ein rüstungswirtschaftliches Bauprogramm erstellt. Dieses sollte sich nur auf kriegswirtschaftliche Typen beschränken. Die Entwicklung moderner Typen kam gänzlich zum Erliegen. Gebaut wurden jetzt einzig und alleine Güterzuglokomotiven der Baureihen 52, 42 sowie die Elloks der Reihen  E 44 und E 94. Diesellokomotiven durften überhaupt nur hergestellt werden, sofern sie von der Wehrmacht für unabdingbar angesehen wurden. Dafür baute die deutsche Lokomotivbauindustrie von der Kriegslokomotive 52 mehr als 6.000 Stück und immerhin noch mehr als 800 Stück der Nachfolgelok der Baureihe 42. Aber schon bald wurden die Stahlrationen im Lokomotivbau zurückgeführt und wieder dem Panzer-, Schiffs- und Flugzeugbau zur Verfügung gestellt. Stattdessen wurden tausende "Feldgraue Eisenbahner" in das Gebiet der Sowjetunion entsandt. Sie mussten die dort vorherrschende Breitspur auf Normalspur umrüsten. Zusätzlich verfolgte Hitler aber in seinem Größenwahn die Projektion eines Schienenverkehrsmittels mit einer Spurweite von drei Metern. Diese so genannte Breitspurbahn sollte einmal die westliche Atlantikküste mit dem äußersten Ende Asiens verbinden. Die Planungen und der Bau dieser gigantischen Bahn wurden auch noch dann verfolgt als sich das sichere Ende des "Tausendjährigen Reiches" abzuzeichnen begann. 

Schließlich möchte ich in meiner Darstellung auch noch das dunkelste Kapitel deutscher Eisenbahngeschichte zu erwähnen, denn die DRG war maßgeblich mit ihrer Transportkapazität an den unmenschlichen Deportationen beteiligt. In endlos langen Wagenzügen wurden die Juden in Viehwagons gepfercht und über hunderte von Kilometern aus dem Reichsgebiet und aus ganz Europa in die Vernichtungslager gebracht. Viele dieser armen Menschen verstarben bereits bei den unmenschlichen Transporten. Die DRG rechnete hingegen mit buchhalterischen Kalkül für jede Person und jeden gefahrenen Kilometer minutiös und auf den Pfennig genau ab. Ein schmutziges Kapitel dieser deutschen Geschichte fand zum Glück mit dem 8. Mai 1945 ihr Ende.

Mit dem Ende des 2. Weltkriegs war die Infrastruktur des einstmaligen Vorzeigeobjekts Deutsche Reichsbahngesellschaft vollkommen zerstört. Kein Bahnhof, der mehr intakt war, nur noch wenige Gleise die befahren werden konnten und zudem war ein Großteil des rollenden Materials zerstört worden. Viele Brücken wurden zum Ende des Krieges auf Befehl Hitlers noch gesprengt, so dass die Verbindungen zerschnitten waren und zudem befanden sich mit dem Ende des Krieges rund 12 Millionen Menschen auf der Flucht aus oder in ihre Heimat zurück.

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