Die Bar-Rock-Garten-Lesung 2010 im Barockgarten der Feuerleins

ROTH – Wir leben in recht unsicheren Zeiten. Schwer, jemanden oder etwas zu finden, auf den bzw. auf das heutzutage noch Verlass ist. Um so erfreulicher, einen wahren Stein in der Brandung der alltäglichen Unwägbarkeiten zu finden, und das sogar direkt vor der Haustür: Auch in diesem Jahr bewies die Barockgartenlesung der Buchhandlung Feuerlein den bewährten niveauvollen Komfort mit ganz speziellem Wohlfühlfaktor.

Wie in den Vorjahren präsentierte die Autorengruppe „Schreibstolz“ – das sind: Katharina Storck-Duvenbeck, Günter Baum, Thomas Rüger und Robert Unterburger – eigens für diesen Anlass verfertigte Geschichten. Dabei wurde die Rechtschreibreform um eine besondere Lesart erweitert: Zwecks Reizwortgenese änderten die Schriftsteller die namengebende Veranstaltungsbeschreibung in „Bar-Rock-Garten-Lesung“.

Wie bereits 2009 hatten die Veranstalter auch heuer ein ganz besonders glückliches Händchen bei der Auswahl der musikalischen Umrahmung: Die Gitarristen Roland Schrüfer aus Thalmässing und Alexander Feser aus Röthenbach/Pegnitz, auch bekannt als Duo „La Route Django“, boten virtuosen Gypsy Jazz - und noch viel mehr. Feinfühlig und individuell ließen sie das Publikum in die Klangwelten des Django Reinhard eintauchen. Absolut überzeugend spielte das Gitarrenduo gegen die noch oft verbreitete Aversion mancher Puristen an, denen die Gitarre als ein eher untypisches Jazzinstrument erscheint.

Getreu dem Motto „Ladies first!“ eröffnete Katharina Storck-Duvenbeck die Abfolge des literarischen Kleeblättchens. Zum Thema „Bar“ las die bekannte Rother Autorin, mittlerweile auch als Songwriterin und Videokünstlerin tätig, ihre Story „A bisserl was geht immer“. Partnerschaftssuche, von der Freundin der Protagonistin in erster Linie als „Männerfang“ aufgefasst, steht und fällt nicht nur mit dem Zug durch viele Kneipen – auch eine entsprechende Mentalität ist Grundvoraussetzung für ein Gelingen. Die Heldin der Geschichte kommt mit dieser strategischen Vorgehensweise nicht so zurecht – eher ist da schon auf den Zufall Verlass. Wobei auch da mit einer „lässlichen“ Sünde ein wenig nachgeholfen werden darf... Dialekt-Dialoge und flapsige Wendungen wirken plastisch, das Spiel mit dem verlogenen Slogan-Slang der Kontaktanzeigen erweitert die sprachliche Ebene. Katharina Strock-Duvenbeck schreibt routiniert-flüssig, ihr Vortrag tut ein Übriges, der Geschichte zusätzlich Schwung und emotionale Wärme zu verleihen.

Auch Robert Unterburger, dessen Abhandlung des Reizwortes „Rock“ den vielsagenden Titel „Ein total versauter Tag“ trägt, weiß durch seine ureigene Vortragsart zu begeistern. Schüchtern und zugleich verschmitzt scheut er sich auch nicht vor Kalauern und derbem Schenkel-Klopfer-Humor. Eine über die Hose geschüttete Tasse Kaffee macht aus einem Otto Normalverbraucher einen unfreiwillig schrillen Rock-Träger, der bei seinem Spießrutenlauf durch die Rother Innenstadt für einiges an beschämender Aufregung sorgt. Unter der deftigen Oberfläche dieser Posse schlummert der Unterburger-typische Vorwurf an die Welt, das Individuum hauptsächlich mit demütigenden Schicksalsschlägen zu verfolgen, denen man nicht auszuweichen vermag.

Günter Baum spiegelt den Zuhörern ihre Besonderheiten und Seltsamkeiten in Echtzeit, denn „Fred, der Starr“ wird bei seiner Raupen-Jagd im „Garten“ durch die Zuhörerschaft einer literarischen Lesung aufs Gröbste behindert. Die geübte Schauspieler-Stimme von Günter Baum bringt den altersweisen Humor seiner Fabel-haften Geschichte auf den Punkt. Die Außenschau durch eine Schwarzdrossel ermöglicht es, viele rituelle Konventionen zu entlarven. Mit einem zusätzlichen Gedicht würdigte Günter Baum die besondere „location“ dieser Lesung, den unbeschreiblich romantischen, zu diesem Zeitpunkt bereits von ungezählten Kerzenlichtern erhellten Feuerleinschen Barockgarten.

Der letzte Impuls, das Wörtchen „Lesung“, blieb dann für Thomas Rüger, der bereits die Moderation des Abends übernommen hatte. In „100 Lesungen und mein chinesischer Nachbar“ überwog im Vergleich zu den Vorjahren ein geradlinigerer Erzählstrang; der recht skurrile Humor und die schrägen Ideen machten diesmal auch Platz für einige durchaus glaubhafte, wenn auch nicht wenig irre Erfahrungen. Lesungen in der Region haben einiges zu bieten: Engpässe an Publikum, Sprachprobleme in der Provinz Oberpfalz und die chinesische Tochter aus der Nachbarschaft mit dem interessanten Namen Le Sung demonstrieren die Opfer, die ein Autor auf dem Weg vom Kleinst- zum Kleinkünstler zu erbringen hat.

All diese Geschichten erfinden sicherlich das literarische Rad nicht neu. Große Oper ist im Barockgarten nicht angesagt (und auch nie angekündigt) – doch die routinierte Operettendarbietung weiß die Gäste der an beiden Abenden ausverkauften Veranstaltungen zu begeistern. Leichte Kost wird serviert und vom Publikum dankbar und wohlwollend genossen. So ergibt sich ein gelungenes Gesamtkunstwerk aus Text, Musik, entspannter Atmosphäre und liebevoller Bewirtung – dies alles im umwerfend märchenhaften Barockgarten-Ambiente.

ANDREAS FRIEDRICH

Rosen, Dornen und Kavaliere

„Rosen, Dornen und Kavaliere“ – die Barockgarten-Lesung dieses Jahr im Doppelpack - Andreas Friedrich, Juni 2007