Stefan Arold - Interessantes für Interessierte

Deutsche Kleinwagen

"Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd", "Wer das Leben über hat, kauft sich einen Goliath" oder "Mach-hoch-die- Tür-Auto". Solche Sprüche verdeutlichen, dass die hier vorgestellten Kleinautos zwar beliebt, jedoch keine vollwertigen Autos im eigentlichen Sinne waren. Die Anschaffungskosten lagen gegenüber einem richtigen Auto um einiges niedriger, doch das erkauften sich die Besitzer eines Kleinstwagens häufig mit gewissen Einschränkungen in der Ausstattung. Irgend etwas fehlte bei den meisten Kleinautos. Entweder besaß der Wagen keinen Kofferraum samt Kofferraumklappe, hatte keine Fensterheber, oder nur eingeschränkte Türen. Unter Umständen hatte er statt eines Lenkrads auch nur ein Steuerknüppel oder - und das war meist ausschlaggebender - es stand nur wenig Platz zur Verfügung.
Dennoch gab es unzählige Fahrzeuge, die sich in Deutschland starker Beliebtheit erfreuten, vor allem, weil die Kleinautos häufig mit dem alten "4er", dem Mopedführerschein ohne Zusatzprüfung gefahren werden konnten. Außerdem macht Not erfinderisch, weshalb es teils sehr skurrile Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen schafften.
Heute zählen die noch vorhandenen Kleinautos zu absoluten Raritäten und erzielen in Fach- und Liebhaberkreisen zum Teil exorbitante Preise. Wohl auch deshalb, weil nur sehr wenige dieser Wägelchen das 20. Jahrhundert mangels Pflege und schlechter Verarbeitung überlebt haben. Zu den beliebtesten Fahrzeugen zählten die BMW "Isetta" und das Goggomobil, aber auch andere Kleinwagen wie der Kleinschnittger F 125, der Victoria "Spatz", der Zündapp "Janus" oder das "Fuldamobil" hatten ihren Platz auf Deutschlands Nachkriegsstraßen.

Das Goggomobil

 Nachdem der Absatz von Rollern im Jahr 1955 stagnierte, entwarf Hans Glas zusammen mit seinem Sohn ein eigenes Modell für einen Kleinwagen. Das Auto war von Anfang an für vier Personen konzipiert, auch wenn die Platzverhältnisse auf der Rücksitzbank sehr beengt waren. Das "Goggomobil" sollte anfangs wie die "Isetta" mit einer Fronttür versehen werden, doch man einigte sich später auf Seitentüren, die dem Fahrzeug ein viel gefälligeres und einem Auto entsprechendes Aussehen gaben. Das Goggomobil gab es mit einem  2-Zylinder Zweitaktmotor in verschieden starker Motorisierung (von 250 - 400ccm), sowohl als viersitzige Limousine als auch als zweisitziges Coupe. Insgesamt liefen bis zur Übernahme des Werkes von BMW und der Einstellung der Produktion im Jahre 1969 ca. 280.000 Fahrzeuge vom Band. Dabei wurde die Produktion noch nicht einmal wegen mangelnder Nachfrage eingestellt, sondern vielmehr benötigte BMW die Fertigungsstraße für eine andere Fahrzeugelinie. Das "Goggomobil" gilt als das weltweit am meisten produzierte Kleinauto.

Die BMW "Isetta"

 Sie gehört mit zu den bekanntesten Fahrzeugen der deutschen "Wirtschaftswunder-Zeit". Mit den Kosenamen "Knutschkugel" oder als "Mach hoch die Tür Auto" bezeichnet, wurde die "Isetta" von BMW in Lizenz produziert. Ursprünglich baute die italienische Firma ISO dieses Fahrzeug. Allerdings war sie mit dem Konzept nicht erfolgreich, so dass sie die Lizenzen ins Ausland vergab. Anders hingegen in Deutschland, hier wurde die Isetta offensiv, teilweise durch den Einsatz berühmter Filmstars, beworben. So kam es, dass sich das unkonventionelle Vehikel schnell großer Beliebtheit erfreute. Durch seinen ungewöhnlichen Fronteinstieg, mit der nach oben klappenden Lenksäule, hatte das Fahrzeug nur eine Länge von 2,25 m. Damit eignete es sich besonders als kleiner Flitzer für die Innenstädte. Als größter Nachteil entpuppte sich allerdings das eingeschränkte Platzangebot für nur zwei Personen. Erst mit Einführung des Modells "600" konnten mehr als zwei Fahrgäste befördert werden. Obwohl das Fahrzeug sehr beliebt war, konnte BMW aufgrund des niedrigen Preises keine großen Umsätze erzielen. Die "Isetta" war anders als das ISO-Original mit dem aus dem Motorradbau bewährten 250 ccm Viertaktmotor ausgerüstet. Die Fronttür hatte einen besonderen Schließmechanismus, der ein fast lautloses Schließen der Tür ermöglichte. Von der "Isetta" wurden in der zweisitzigen Variante von 1955-1962 ca. 74.300 Stück, vom viersitzigen Modell "600" noch immer rund 35.000 Stück hergestellt. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei ca. 85 km/h bei einer Leistung von 14/19 PS. Gegenüber dem erfolgreicheren "Goggomobil" konnte sich die "Isetta" jedoch nicht durchsetzen.

verschiedene kleinautosDer Zündapp "Janus"

Auch die bereits erwähnte Firma Zündapp versuchte sich seit 1956 auf dem Sektor des Kleinwagenbaus zu etablieren. Basierend auf den Erkenntnissen der Motorradherstellung und in Zusammenarbeit mit Claudius Dornier entwickelten die Nürnberger ein sehr eigenwilliges Gefährt, bei dem sowohl die Front als auch das Heck fast identisch ausgebildet waren. Der Einstieg erfolgte jeweils über die Front- bzw. die Heckseite und die Insassen saßen Rücken an Rücken. Dabei konnte es dann schon mal vorkommen, dass den Fahrgästen in Gegenrichtung stark übel wurde. Der ausgereifte Motor und das gut abgestimmte Fahrwerk sorgten für eine angenehme Straßenlage. Benannt wurde das Fahrzeug nach dem römischen Gott mit den zwei Gesichtern, was geradezu auf den Wagen zugeschnitten war. Vorgesehen war eine Produktion von 12.000 Fahrzeugen pro Jahr, doch konnte sich das Fahrzeug gegenüber der Konkurrenz nicht behaupten. Insgesamt wurden lediglich 1731 dieser Kleinwagen produziert, bevor das Werk nach seinem Verkauf im Jahr 1958 die Fertigung dieses Wagens einstellte. Der Janus hatte einen 14 PS starken 1-Zylinder Zweitaktmotor und entwickelte eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h.

Der Kleinschnittger F 125

Paul Kleinschnittger sammelte über 10 Jahre lang Schrott, aus dem er sich ein Auto bastelte, welches sogar eine Zulassung erhielt. Zusammen mit einem Hamburger Kaufmann gründete Kleinschnittger eine Automobil GmbH und produzierte seinen Roadster Modell "F 125" ca. 3000 mal. Der Wagen wog nur zwischen 120 und 150 kg, besaß einen 1-Zylinder Zweitaktmotor mit 4,5 PS Leistung und einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Das geringe Gewicht erzielte der Wagen weil konsequent auf überflüssige Details verzichtet wurde. Mittels eines Seilzugs, wie bei Benzinrasenmähern, konnte der Wagen angelassen werden. Das ersparte den Einbau einer Batterie und des Anlassers. Es gab nicht einmal einen Wagenheber. Im Falle einer Panne wurde empfohlen den Wagen anzuheben, auf die Knie abzusetzen und dann den Reifenwechsel durchzuführen (siehe auch Bild). Damit erinnerte dieser Kleinwagen mehr denn je an ein Spielauto. Allerdings besaß das Auto einen ausgesprochen robusten Motor und Laufleistungen über 130.000 km waren keine Seltenheit. Als sich immer mehr Menschen richtige Autos leisten konnten, wurde die Produktion mit dem Jahr 1957 eingestellt.

 Das Fuldamobil

Dieser Wagen hatte seinen Ursprung im Wohnwagenbau. Seine Karosserie bestand aus Holz mit aufgenagelten Blechen. Bereits 1950 begann man mit der Produktion. Insgesamt sind 700 Exemplare des Fuldamobils hergestellt worden. Das Kleinstauto hatte einen 8,5 PS starken 1-Zylinder Zweitaktmotor und hatte einge Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Die Produktion lief bis 1955. Danach wurde die Fertigung in Deutschland aufgrund mangelnder Rentabilität eingestellt.

Der Gutbrod "Superior"

Die Firma Gutbrod hatte bereits in den 30er Jahren Zweiräder und einen Kleinwagen gefertigt. Nach dem Krieg übernahm der Sohn Walter Gutbrod das Unternehmen und stellte ebenfalls ein Kleinauto, den Gutbrod "Superior" her. Bis zum Jahr 1954 ist das Auto in unterschiedlichen Varianten 7.000 mal produziert worden. Dabei besaß das Modell "700 E" die erste serienmäßige Benzineinspritzung in einem deutschen Auto. Alle Modelle waren mit einen 2-Zylinder Zweitaktmotor ausgestattet. Die PS-Zahl belief sich modellabhängig zwischen 20 und 30 PS. Die Geschwindigkeit lag bei 100 bis 120 km/h. Der "Superior" konnte sich aber nicht gegenüber einer starken Konkurrenz am Markt behaupten. So meldete die Firma bereits 1953 einen Vergleich an. Die Restbestände wurden schließlich noch bis 1954 verbaut danach ging das Werk in der Konkursmasse an die Firma Bauknecht über.

Der Victoria "Spatz"

Keinem anderen Kleinwagen als dem "Victoria Spatz" wird die Ehre zuteil, der erste deutsche Serienwagen mit einer Kunststoffkarosse zu sein. Der als "Sportwagen" konzipierte kleine Flitzer besaß sogar einen Mittelmotor. Leider verlor das Fahrzeug in der Prototyp-Version auf einem Feldweg zunächst einmal Hinterachse samt Motor. Das lag daran, dass der Wagen ursprünglich keinen Rahmen hatte und die Achse direkt an der Kunststoffkarosserie befestigt war. Doch auch dieses Problem konnte rasch beseitigt werden. Mit einem aufknüpfbaren Faltdach und ohne Türen war der Einstieg vor allem bei schlechtem Wetter in das Auto geradezu Schwerstarbeit. Die vordere Partie des Fahrzeugs war flach gehalten und beherbergte einen langezogenen Kofferraum. Die Sitzbank bot Platz für drei Personen. Der "Spatz" besaß eine Lenkradschaltung. Der 10 PS starke 1-Zylinder Zweitaktmotor erreichte jedoch nur eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h. Zudem neigte der Wagen wegen der Kunststoffkarosse und teils mangelhafter Verarbeitung der Kraftstoffleitungen zur Selbstentzündung. Bei Vorführungen gingen einige Wagen sogar vor geladener Presse in Flammen auf - ganz schön peinlich. Dafür konnte der Wagen rückwärts genauso schnell wie vorwärts fahren. Das lag daran, dass man den Drehsinn des Motors zu ändern wusste, weshalb der Wagen auch vier Rückwärtsgänge besaß. Allerdings liegen keine Überlieferungen vor, ob dieses "Kunststück" je ein Fahrer versucht hatte. Ca. 1.600 Stück dieser Fahrzeuge wurden von 1955-1958 produziert, dann war auch dieses kuriose Kapitel deutschen Automobilbaus Geschichte.

Darüber hinaus gab es noch unterschiedliche, kettengetriebene Lastenroller oder Dreiräder der Marke "Tempo" oder "Goliath", die aus dem Erscheinungsbild der 50er Jahre nicht wegzudenken sind. Auch die Firma Glas baute einen Kleintransporter um anfallende Gütertransporte auf der Straße bewegen zu können. Das "Tempo"-Dreirad ist übrigens der erfolgreichste Kleintransporter der Welt. Er wird heute noch in Indien unter dem Namen "Banja" produziert. Interessant ist der Antrieb, der wie bereits erwähnt, mittels einer Kette vom Frontmotor auf die Hinterachse übertragen wird.

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