Schreibwut

Wir schreiben Geschichten. Oder sollte ich besser formulieren: Wir schreiben Geschichte…?!
Natürlich klingt letztgenannte Variante attraktiver. Doch welche Wirkung unsere Produkte zeitigen, können wir gar nicht beurteilen.
Geschichte ist ein Prozess, bei dem sozusagen die Sahnetore von innen aufgerollt wird.
Zugegeben, Metaphern sind nicht meine Stärke. Backen allerdings auch nicht…
Fakt ist, ich bin Teil einer Gruppe von Menschen, die schreiben.
Wir schreiben Geschichten. Damit wären wir wieder am Anfang.
Doch der Anfang … ja, was war eigentlich der Anfang?
Am Anfang war das Wort. Oder waren es nur einzelne Buchstaben, die darauf warteten, Teil einer Geschichte zu werden?
Ich bin auch ein Teil. Teil einer Gruppe. Wir sind gefangen. Nein, das ist jetzt keine Metapher. Wir sind tatsächlich eingeschlossen.
Hermetisch abgeschlossen vom Rest der Welt.
Rest der Welt … wie lächerlich das klingt.
Fakt ist, die Welt ist irgendwo außerhalb - und wir sind der Rest.
Der schreibende Rest. Denn unsere Gruppe scheibt. Nicht als Kollektiv. Jede einzelne Person schreibt.
Früher haben wir uns die Geschichten gegenseitig vorgelesen. Erst dann gaben wir sie ab.
Was passiert wohl mit unseren Geschichten?
Wir wissen es nicht ... oder habe ich es nur vergessen?
Fakt ist, ganz am Anfang war diese Anzeige.
Da war ich noch nicht Teil dieser Gruppe.
Schreibwut hieß es in dieser Anzeige. Ja, Menschen mit Schreibwut wurden gesucht. Haben sich viele daraufhin gemeldet? Ich weiß es nicht…
Jedenfalls habe ich mich berufen gefühlt. Alle Interessenten wurden vorgeladen, mussten vorsprechen, vorschreiben.
Mut zur Schreibwut oder Wut zum Schreibmut.
Lächerlich…
Ein lächerliches Wortspiel war mein Geschichtenaufhänger. Im Nachgang einfach nur hochnotpeinlich.
Aber ich wurde aufgenommen. Trotzdem? Gerade deshalb? Mangels Alternativen?
Fakt ist: Ich bin Teil dieser Schreibgruppe geworden.
Uns wurde ein Raum zugewiesen … praktisch und schlicht.
Wir schreiben Geschichten. Seitdem …
Jede Person auf ihre Art. Doch ich nehme sie kaum mehr wahr. Die anderen…
Ich wüsste auf Anhieb gar nicht zu sagen, wie viele wir eigentlich sind.
Ich bin genügsam geworden. Selbstgenügsam.
Und natürlich meine Geschichten.
Ich bringe sie zu Papier und gebe sie ab.
Früher fragte ich mich, was sie mit meinen Geschichten machen.
Jetzt nicht mehr.
Ich blicke nicht mehr zurück, blicke auch nicht mehr nach vorne.
Ich blicke nur noch auf das Papier … und schreibe Geschichten.