Sommerloch 2013

Jedes Jahr im Sommer, wenn wahlweise das Gehirn oder die Grillwurst im Reihenhausgarten vor sich hinbrutzelt, braucht die Republik ein Aufregerthema. Die Bundestagsabgeordneten haben hitzefrei, die Leitartikler suchen im Archivkeller nach verstaubten Glossen aus den Vorjahren, die Seichtgebiete des Fernsehprogramms mutieren zu Ultraseichtgebieten.
Kurzum: ein Land in geistiger Erstarrung – man nennt es auch das Sommerloch.
Wie gut, dass sich dann in dieser Zeit der sauren Gurken immer ein mediales Aufregerthema findet.
Und schnell wird aus dem Land der meteorologischen Paralyse ein Land der geistigen Paranoia.
In diesem Jahr sind wir hierbei einem Mann zu Dank verpflichtet, der sich damit abfinden muss, nach seiner kurzen Karriere als Geheimdienstmitarbeiter nun lebenslang ein geheimnisvolles vorzeitiges Ableben befürchten zu müssen.
Der NSA, dieses ominöse Buchstabenkürzel, soll, so ist zu vernehmen, eine quantitativ fast nicht mehr darstellbare Menge an Mails und Telefonaten angezapft und ausgewertet zu haben.
Die pflichtschuldigst an den Tag gelegte geheuchelte Empörung eroberte in Windeseile die sommerlich ausgedünnten Nachrichtenmagazine wie auch die Talkshows dieses Landes.
Huch, da steigt der Angstpegel des deutschen Michel, denn es steht ja zu befürchten, dass der Präsident höchstselbst seine Gutenachtlektüre für die Gattin und die beiden pubertierenden Töchter aus den abgefangenen elektronischen Briefen zusammenstellt.
Gesetzt den Fall, der erste farbige US-Präsident würde dies tatsächlich tun, er würde innerhalb kürzester Zeit völlig erbleichen.
Denn was bitteschön ist denn in den weit überwiegenden Mailkommunikationen zu lesen?
Wer sich mal der geistigen Folter unterzieht, die öffentlich zugänglichen Facebook-Botschaften zu lesen, wird mit Brechdurchfall nicht unter drei Jahren bestraft.
Soviel Banalität in solch komprimierter Form zigtausendfach gestreut („gefällt mir!“), taugt noch nicht mal als Stoff für ein provinzielles Bauerntheater.
Herr Obama findet hoffentlich gehaltvollere Lektüre für die Seinen!
Und die ihm dann tatsächlich von diversen Experten vorgelegten Mails sind natürlich nach speziellen Schlüsselbegriffen ausgefiltert worden.
Aber glaubt jemand allen Ernstes, die Verkörperung alles Bösen in dieser Welt namens Osama bin Laden sei auf Grund seiner abgefangenen Mails aufgespürt worden, die er vorschrifts- und wahrheitsgemäß mit seinem vollen Namen unterschrieben hatte?
Sollte man das Wort „Laden“ ergo in jeglicher Konnotation meiden: Ein- und ausladen, Ladengeschäft und Ladensterben, voll beladen mit Marmeladen??
Im Ernst: Ein Land, dessen Bürger jeglichen Schwachsinn per I-Phone oder Email, Facebook oder Twitter massenmörderisch verbreitet, hat vom NSA und seinen klandestinen Spitzel- und Spähaktionen absolut nichts zu befürchten. Außer dass ihm eines Tages die Decke von seinem toten Geist weggezogen wird.
Wir werden es erleben – spätestens im nächsten Sommer!