Sammlerwut

Eigentlich wollte ich diesen Tag mit einer Panzerfaust beenden. Kein gemütlicher Fernsehabend im Wohnzimmersessel, wo der chipstütengeschwängerte Bauch sein tägliches Abendmahl auf einem intelligenzgeminderten Kanal begeht.
Man muss seine Abscheu vor dieser Welt lauthals inszenieren. Nicht mit einem trockenen Wein, rasiermesserscharf im Abgang, aber ohne nachhaltige Nebenwirkungen, keine zarten Schnittchen mit glibberigen Fischeiern und zum Nachtisch einen vollen Schweinetrog mit Mousse au Chocolat.
Nein und nochmals nein. Es muss schon ein Attentat sein, es muss Blut fließen. Echtes Blut, kein roter Rebensaft aus der Sakristei.
Es könnte auch eine Stalinorgel sein, die über mehrere Oktaven hinweg eine melodische Todesfuge erklingen lässt.
Es dürfen ruhig Kollateralschäden in Betracht gezogen werden.
Ein dreifaches Helau, wenn das in krankhafter Sammlerwut erstandene Sonntagsnachmittagskaffeeservice in subatomare Bestandteile zersplittert.
Dem deutschen Wohlstandsmichel widerstrebt die Chaosforschung, eine wissenschaftliche Richtung, die zu erklären vermag, warum ein flügellahmer Schmetterling in Nürnberg-Langwasser einen Tsunami in Ostasien auslösen kann.
Doch mit einem Sixpack Molotowcocktails kann so manche Expertenseele von ihrem Wissensdurst befreit werden. Nein, das ist keine kalkulierte Provokation, kein wohl inszenierter Verstoß gegen das deutsche Sittlichkeitsgebot.
Eigentlich wollte ich diesen Tag mit einer Panzerfaust beenden. Und wenn ich dann hinterher vor dem Internationalen Strafgerichtshof Rechenschaft ablegen muss, werde ich auf Notwehr plädieren.
Eigentlich ...
Doch stattdessen sitze ich an einem resopalkontaminierten Tischchen, mit einem Stift in der Hand.
Der Kugelschreiber ist die Panzerfaust des schreibenden Menschen...?!
Schön wäre es...
Eigentlich passt doch alles so, wie es ist. Die Wut ist verraucht, die Panzerfaust wird im Keller verstaut. Und nächste Woche bekommt Tante Frieda wieder eine neue Sammlertasse!