Ein musikalischer Reiseführer für Nomadenseelen

Die Schweizerin Sophie Hunger hatte vor drei Jahren mit ihrer letzten Studioplatte „The Danger of Light“, einer längeren Tournee und dem darauffolgenden Livealbum „The Rules of Fire“ fast eine Art Kultstatus im Genre des Alternative Rock erobert.
Um dann, musikalisch leergefegt, die Flucht aus dem Musikgeschäft nach Kalifornien zu ergreifen.
Dieser Exilaufenthalt in den USA dauerte zwar noch eine Zeit, bevor sie wieder nach Europa übersiedelte - aktuell ist Berlin ihr Hauptwohnsitz. Doch die Flucht vor weiteren musikalischen Aktivitäten war nur sehr kurzfristig.
Denn in einem Museum im Golden Gate Park von San Francisco wurde die Künstlerin fasziniert von den Monddarstellungen. Wissenschaftlichen Theorien zu Folge wurde der Mond nach einem Crash zwischen der Erde und einem Himmelskörper ins All geschleudert. Der Mond besteht demnach aus alter Erde. Was Sophie Hunger sehr irritiert:
„Wir heulen ihn an, weil er für uns so schön die Sehnsucht nach dem Fremden darstellt. Dabei ist er ein Teil von uns.“
Zwei Wochen hielt die selbst auferlegte musikalische Abstinenz nur an, dann begann sie mit einer Gitarre neue Lieder zu schreiben.
Im Titelsong der aktuellen CD singt Hungers Mond, der in der ersten Person erzählt und auf die Erde hinunterblickt:
„I was cut of your stone
I am empty but I’m never alone.”
Man könnte natürlich an die Stelle des Mond-Ichs die Sängerin selbst setzen und die musikalische Botschaft dann so verstehen:
Ich bin aus demselben Stein wie ihr gehauen, liebes Publikum. Ich bin leer und unbewohnt, aber nie allein.“
Allein die Songtitel wie „Mad Miles“, „Die Ganze Welt“, „Heicho“ (schweizerdeutsch für: Nachhause kommen) oder „Queen Drifter“ verraten, dass das Album „Supermoon“ von einer Person handelt, die auszog…
„Queen Drifter“ etwa ist ein Stück, das das Unterwegssein thematisiert: keine Wurzeln schlagen, ohne Familie leben, das Abenteuer suchen …
Und dabei ummantelt sie ihre Texte nicht mit weichgespülten Melodien, sondern arbeitet mit Halleffekten oder lockt den Instrumenten verzerrte Effekte hervor.
Und wenn Kalifornien in „Mad Miles“ bedacht wird mit den Zeilen:
„There’s nothing here to remember or recognize
I could stay here forever and never arrive”
dann ist dies vielleicht auch eine Reminiszenz an ihre Kindheit, die von vielen Ortswechseln geprägt war.
Immer weiterziehen und nie wirklich ankommen …Sophie Hunger hat hierfür einen musikalischen Reiseführer für Nomadenseelen geschrieben.


Sophie Hunger: Supermoon
Caroline/Universal Music, 2015