Konstantin Wecker

Lieber naiv als korrupt

Konstantin Wecker gilt zweifelsohne als Säulenheiliger der deutschen Linken. Und seine neue CD "Ohne Warum" erscheint im Vorfeld seines immerhin 40-jährigen Bühnenjubiläums. In diesen vier Jahrzehnten hat er selbst durchaus Stehaufmännchen-Qualitäten bewiesen - künstlerische wie persönliche Tiefpunkte und drogenbedingte Abstürze konnte er überwinden.
Sein Rückgriff auf den spätmittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart, der mit "ohn warum" einen Grundsatz des mystischen Denkens beschrieb, mag erst verwundern. Doch der streitbare Künstler plädiert dafür, sich im Leben zu engagieren, ohne auf den "return on invest" fixiert zu sein... ohne Berechnung, vielleicht ohne Sinn...
Wecker greift aktuelle Themen auf wie die Gedanken- und Gefühllosigkeit der Pegida-Demonstranten oder den Zynismus der Aufspaltung in Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtlinge. "Es ist eine grenzenlose Welt, in der ich leben will", heißt das Schlussplädoyer im Lied "Ich habe einen Traum".
Er findet poetische wie selbstkritische Bemerkungen als Elternteil im Song "An meine Kinder". Seine unbestreitbare pazifistische Gesinnung wird mit dem finalen Wunsch an die Nachgeborenen deutlich: "...trag nie eine Uniform..."
Sein legendäres "Willy"-Lied findet eine 2015er Neuauflage. Die Wiederkehr des antifaschistischen Freundes wird erneut herbeigesehnt. Und es finden sich darin Bekenntnisse wie "Ich bin Revolutionär und Romantiker" oder "Lieber naiv als korrupt".
Vielleicht ist dies die Kernbotschaft des neuen Wecker-Albums: Sich den vielfältigen wie hinterhältigen Zumutungen der aktuellen Zeitläufte zu widersetzen, erfordert nicht nur einen kühlen Kopf, sondern ein mitmenschliches Herz.
In diesen nüchternen, ja gefühlskalten Zeiten schafft es dagegen nur ein hemmungsloser Romantiker, "eins mit deinem Traum" zu sein.


Konstantin Wecker: "Ohne Warum"
Sturm & Klang/Alive, 2015