Eine musikalische Weltreise mit Blechbläsern

Blechblasmusik und Bayern sind ja nicht nur alliterarisch gesehen eine feste Verbindung.
Doch wer sich bei LaBrassBanda auf volkstümliches Liedgut einstellt, wird angenehm (oder unangenehm) enttäuscht.
Denn diese sieben Blechbläser sind seit 2007 eifrig dabei, aus ihren Blechblasinstrumenten einen neuen und ungewohnten Sound zu entlocken. Was zunächst die musikalischen Traditionshüter in Bayern bis ins Mark erschütterte, erfasste spätestens 2013 beim deutschen Vorentscheid zum European Songcontest den Rest der Republik. In über 1000 Konzerten übertrug sich die Begeisterung auf das Publikum.
Zum 10-jährigen Bandjubiläum präsentieren sie ein energiereiches neues Album. Sie kreieren keinen eigenen Musikstil, aber ein Reggae-Lied würde man wohl nicht unbedingt von Blechbläsern erwarten.
Und es gibt ein angejazztes Liebeslied mit Didgeridoo-Fundament genauso wie Lieder mit Soul-, Hiphop- oder Punktönen.
Und wer nicht nur mitwippen oder mittanzen, sondern auch mitsingen mag: Im beigefügten Booklet können die Texte in bayerischer Mundart nachgelesen werden.
Und bei allen Spaßelementen, den die barfüßigen Blechbläser in Lederhosen und T-Shirts zelebrieren: sie spielen Blasmusik auf höchstem Niveau!


LaBrassBanda: "Around the World"
RCA, 2017

Jeder bete für sich allein ...

Zeugt es von Mut oder von Provokation, in Zeiten wie diesen ein Album mit dem Titel "Deutschland" zu veröffentlichen?
In seiner gut 35-jährigen musikalischen Karriere hat sich Heinz Rudolf Kunze des Öfteren dieses Land vorgenommen. So gab es von ihm noch in den Jahren der beiden deutschen Teilrepubliken den Liedtitel "Deutschland" mit dem Untertitel "Verlassen von allen guten Geistern".
Das Cover seiner CD-Neuerscheinung macht stutzig: Es zeigt eine reparaturbedürftige Straße, von Baustellen gesäumt, in einer bürgerlichen Vorstadtsiedlung.
Symptomatisch für das Deutschland im Jahre 2016?
Kunze liefert jedenfalls keine einfachen Antworten. Der intellektuelle Welterklärer bietet unterschiedliche Botschaften an und verpackt sie mit seiner Band "Verstärkung" in rockige Töne, die auch mal in Richtung Blues, Funk oder Pop tendieren.
Am klarsten positioniert er sich im Lied "Jeder bete für sich allein" - mit einem eindeutigen Plädoyer gegen religiöse Monopole.
Die Single-Auskopplung "Das Paradies ist hier" ist keine naive Anbetung Kohl'scher Wohlstandsoasen. Kunzes Credo: Trotz aller Katastrophenmeldungen gilt es, sich Lebensfreude zu bewahren und "etwas aus dem Leben zu machen".
Eher philosophisch angehaucht ist der Song "Zu früh für den Regen". Harmonische Gitarrenklänge kontrastieren zu einer existentialistisch anmutenden Ortsbeschreibung - Camus lässt grüßen.
Die Lebenserinnerungen eines alten Zauberers münden dagegen in die finale Erkenntnis: Das Leben ist "ein fauler Trick".
Am Rande des Kalauers befindet sich das dem Küssen gewidmete Lied "Mund-zu-Mund-Beatmung".
In Zeiten von Pegida & Co. ist Kunze die geistig wie musikalisch belebende und herausfordernde Alternative für Deutschland...
Wie reimt er so schön treffend im Titelsong:
"Jeder gute Deutsche hat sich an Dir gerieben -
denn so einfach ist es nicht, dieses Land zu lieben."


Heinz Rudolf Kunze: Deutschland
RCA/Sony Music, 2016