Sony Music

Jeder bete für sich allein ...

Zeugt es von Mut oder von Provokation, in Zeiten wie diesen ein Album mit dem Titel "Deutschland" zu veröffentlichen?
In seiner gut 35-jährigen musikalischen Karriere hat sich Heinz Rudolf Kunze des Öfteren dieses Land vorgenommen. So gab es von ihm noch in den Jahren der beiden deutschen Teilrepubliken den Liedtitel "Deutschland" mit dem Untertitel "Verlassen von allen guten Geistern".
Das Cover seiner CD-Neuerscheinung macht stutzig: Es zeigt eine reparaturbedürftige Straße, von Baustellen gesäumt, in einer bürgerlichen Vorstadtsiedlung.
Symptomatisch für das Deutschland im Jahre 2016?
Kunze liefert jedenfalls keine einfachen Antworten. Der intellektuelle Welterklärer bietet unterschiedliche Botschaften an und verpackt sie mit seiner Band "Verstärkung" in rockige Töne, die auch mal in Richtung Blues, Funk oder Pop tendieren.
Am klarsten positioniert er sich im Lied "Jeder bete für sich allein" - mit einem eindeutigen Plädoyer gegen religiöse Monopole.
Die Single-Auskopplung "Das Paradies ist hier" ist keine naive Anbetung Kohl'scher Wohlstandsoasen. Kunzes Credo: Trotz aller Katastrophenmeldungen gilt es, sich Lebensfreude zu bewahren und "etwas aus dem Leben zu machen".
Eher philosophisch angehaucht ist der Song "Zu früh für den Regen". Harmonische Gitarrenklänge kontrastieren zu einer existentialistisch anmutenden Ortsbeschreibung - Camus lässt grüßen.
Die Lebenserinnerungen eines alten Zauberers münden dagegen in die finale Erkenntnis: Das Leben ist "ein fauler Trick".
Am Rande des Kalauers befindet sich das dem Küssen gewidmete Lied "Mund-zu-Mund-Beatmung".
In Zeiten von Pegida & Co. ist Kunze die geistig wie musikalisch belebende und herausfordernde Alternative für Deutschland...
Wie reimt er so schön treffend im Titelsong:
"Jeder gute Deutsche hat sich an Dir gerieben -
denn so einfach ist es nicht, dieses Land zu lieben."


Heinz Rudolf Kunze: Deutschland
RCA/Sony Music, 2016