Ozella Music

Norwegische Musik in englischsprachigen Interpretationen

Pop- und Jazzmusik aus skandinavischen Gefilden findet hierzulande immer mehr Anklang. Wer sich jedoch nicht nur an der Musik und der Wortmelodie erfreuen will, tut sich natürlich schwer, wenn die Leider beispielsweise auf Norwegisch gesungen werden.
Die Sängerin Live Maria Roggen und der Pianist Helge Lien wollen mit ihrem neuen Album „You“ einigen dieser Lieder über die Grenzen ihres Landes hinaus helfen. Setzten sie bei ihrem Debütalbum 2011 noch auf die eigene Muttersprache, so interpretieren sie nun Texte von nordischen Musikerkollegen in Englisch.
Das Ergebnis überrascht positiv und verzaubert vom ersten Ton an.
Neben der exzentrischen wie populären Musikerin Björk interpretiert das Duo Roggen & Lien auch Stücke von Jon Eberson, Sidsel Endresen oder Roger Andreassen, die außerhalb Norwegens nur wenigen Insidern bekannt sein dürften.
Die Neuinterpretationen werden einfühlsam und pointiert in Szene gesetzt. Die stimmliche Bandbreite Roggens wie auch die perfekte Pianobegleitung Liens wechseln auch ohne qualitative Mängel die Musikstile. Hervorstechend ist sicherlich ihre Version des Björk-Songs „Scatterheart“.
Und auch textlich sind Stiländerungen deutlich erkennbar: vom sentimentalen „Just a little Teardrop“ bis zum metaphorisch-agitatorischen „Should have known better“.
Ein kleiner Textauszug hieraus zur Illustration:
“You should have known better
Than to end up being no better
No better than the politicians
No better than the other fucking fools
Until you throw it away
And try to find another way
To make it all better
You’ll be heading the same old way”

Wer es also besser wissen will, sollte unbedingt beim Duo Roggen & Lien hinein hören!


Live Maria Roggen & Helge Lien: "You"
Ozella Music, 2017

Pianomusik als meditatives Gedankenkino

Schlimmer die Lieder nie klingen
Als in der Weihnachtszeit.
Man würde am liebsten wegspringen -
Die Schleimspur im Ohr ist breit.


Wer in den Tagen und Wochen des hemmungslosen Konsumierens in der Vorweihnachtszeit sich aus den Fängen der akustischen Dauerbeschallung und der sensorischen Deprivation befreien will, kann beispielsweise mit einem Glas Wein und einer guten CD die glühwei(h)nachtliche Sinnesvernebelung auflösen.
Das Ozella Label hat hierzu ein passendes musikalisches Kontrastprogramm aufgelegt.
"The Magic & The Mystery" ist eine Zusammenstellung instrumentaler Titel überschrieben. Sie enthält dreizehn als "Ballads & Lullabies" bezeichnete Stücke von überwiegend skandinavischen Piano Trio Bands im Jazzbereich.
Es sind fast ausschließlich Eigenkompositionen. Auch das David Bowie-Coverstück "Life on Mars" in der Version des Eivind Austad Trio fügt sich gut in diese Anthologie ein.
Das jeweils dominierende Piano changiert zwischen ruhigen und verträumten, verhaltenen und eher beschwingten Tönen.
Und die ergänzenden Musikinstrumente, meistens Bass und Schlagzeug, stehen hierzu in Ergänzung oder auch in bewusstem Kontrast, so dass als Effekt beim Zuhörenden keine süßliche Wohlgefälligkeit, sondern nachdenklicher Ohrenschmaus entsteht.
Somit geben diese akustischen Anreize Anlass für ein meditatives Gedankenkino im Kopf ... und das nicht nur zur Weihnachtszeit.


The Magic & The Mystery of the Piano Trio - Ballads & Lullabies
Ozella Label, 2014

Roter Rebensaft und andere Farbtupfer

Die Bluesmusik hat in deutschen Landen nicht denselben Stellenwert wie in England oder den USA.
Da mag es nicht verwunderlich erscheinen, wenn der in Paderborn lebende Bluesmusiker Pete Alderton britisch-amerikanische Wurzeln aufweist.
In seinem Album "Roadside Preaching" lotet er die Spannungszustände im Leben aus - von Liebe und Leid, von Glück und Unglück.
Dabei richtet er den Blick nicht nur auf individuelle Befindlichkeiten. In "Who's To Blame" fragt er hartnäckig nach den Verantwortlichen für Umweltverschmutzung, Elend und Hunger auf der Welt.
Und "Red, Red Wine" ist kein Loblied auf den Rebensaft; vielmehr eine illusionslose Darstellung des Lebens auf der Straße, welches nur durch die Einnahme von Stimmungsaufhellern durchgestanden werden kann.
Nicht nur in diesem Lied scheinen eigene Lebenserfahrungen Eingang gefunden zu haben. Dem Alkohol hat Pete Alderton übrigens zwischenzeitlich völlig abgeschworen.
Mit "Lament For The War" appelliert er eindrucksvoll an die Konsequenzen des Krieges.
Die sparsame Instrumentierung der Lieder sorgt für eine intensivere Wahrnehmung seiner musikalischen Botschaften.
Ein absoluter Höhepunkt des Albums ist das von Leonard Cohen geschriebene Stück "Dance Me To The End Of Love", das mit Ella Ravens als Gesangspartnerin und dem Akkordeonspiel von Thommy Heinecke absolut stimmige Farbtupfer erhält.
Eine puristische Darbietung des Bluesklassikers "Stormy Monday" von T-Bone Walker bildet den gelungenen Abschluss der CD.


Pete Alderton: Roadside Preaching
Ozella Music, 2013

Bittersüße musikalische Botschaften

Mara von Ferne und David Sick haben sich vor knapp acht Jahren an der Dresdener Hochschule für Musik in Dresden kennengelernt. Als musikalisches Duo "Mara & David" haben sie nun ihr drittes Album mit dem Titel "Call it Freedom" herausgebracht.
Ihre Musik wirkt beim ersten Hören sehr karg - sie reduziert sich auf Maras Stimme und auf Davids Akustikgitarre.
Doch in dieser bewussten Reduktion zeigen sie eine enorme musikalische Bandbreite.
Maras Gesangskunst lässt zerbrechliche wie trotzige Töne erklingen, David entlockt seiner Gitarre filigranes Fingerpicking wie auch percussive Elemente.
In ihren Liedern tauchen autobiographische Erinnerungen ("Cherry Tree" als kindlicher Zufluchtsort) genauso auf wie aktuelle Zeitansagen ("Call it Freedom" als Anklage gegen verlogene Freiheitsmissionen, die nur den exklusiven Wohlstand einiger privilegierter Nationen bewahren sollen).
Die Eigenkompositionen werden durch zwei Stücke anderer Musikgruppen ergänzt: das hymnische "Glory Box" (im Original von Portishead) und "Sweet Lies", das in der ursprünglichen Version von Fleetwood Mac vor über zwei Jahrzehnten als klebrig-süße Soße aus dem Radio tagtäglich entströmte; befreit von unnötigem musikalischen Ballast schält sich erst die bittersüße Kernbotschaft dieses Liedes heraus.
Dass das Leben schlechthin manch unglaubliche Ambivalenz bereithält, müssen die beiden Musiker an sich selbst erfahren.
Ihre gemeinsame musikalische Karriere findet einen paradox anmutenden Kontrapunkt in ihrer beider Kampf um ihre Sehfähigkeiten. Während Maras Sehnerv von einem mysteriösen Tumor geschädigt wurde, muss David sich damit abfinden, auf Grund einer seltenen Erbkrankheit sukzessive sein Augenlicht zu verlieren.
Ob bewusst oder unbewusst - das Thema "Sehen" taucht, teilweise als Metapher, auch in ihren Stücken immer wieder auf.
In dem Lied "What is there" heißt es:
I open my eyes
Something has changed
There's a scent of flowers
And a cat in the hallway...
Und in dem wütend vorgetragenen Song "Breakdown" findet sich der Refrain:
We stand at the brink and we try not to fall
Blood on our hands and our hopes on the line
We all know the breakdown is coming
Though we don't know when
We all see the signs.

Mara & David nehmen ihre Umwelt viel bewusster auf als die meisten "Normalsehenden".
Und sie finden hierfür eine gemeinsame musikalische Ausdrucksform, die eine hohe Emotionalität widerspiegelt.
Ihr intensiver, authentischer Stil lässt Augen und Ohren öffnen....öffnen für neue Sinneseindrücke:
Why can't you see
The sky is just a mirror to the clouds in me.


Mara & David: Call it Freedom
Ozella Music, 2013

Das verträumte Nachdenken einer Wahlberlinerin

Nicht nur Schwaben (der Alptraum des Herrn Thierse!) und Türken (der Alptraum des Herrn Sarrazin!) zieht es nach Berlin. Als Vertreter des badischen Volksstammes darf die 1979 in Karlsruhe geborene Musikerin Jeanette Hubert gelten.
Auf ihrer ersten CD-Veröffentlichung "On the Run" präsentiert die Wahlberlinerin exakt ein Dutzend an Eigenkompositionen. Drei der in englischer Sprache verfassten Liedtexte hat die Schlagzeugerin Catrien Stremme beigesteuert.
Die Kompositionen, geprägt durch die akustische Gitarre von Jeanette Hubert, schmeicheln sich als eingängige, entspannte Popmelodien ins Ohr.
Die Künsterlin besingt die Liebe und das Leben in der Großstadt. Sie räsonniert, während sie friedvoll im Gras liegt, über ihr Leben und ihre Zukunft ("Waiting for the Rest").
Es bedarf keines perfekten Partners, um das Leben genießen zu können, betont sie stimmungsvoll im Lied "Always Perfect".
Mag das eine oder andere Lied zu sehr als radiotauglicher Ohrwurm getrimmt sein, ihre wahre Stärke liegt in dem balladesk komponierten und vorgetragenen Liedgut.
Hier lädt Jeanette Hubert zum Innehalten ein, zum verträumten Mit- und Nachdenken inmitten der großstädtischen Hektik.
Bleibt zu hoffen, dass Ihre schön gestaltete Homepage www.jeanettehubert.de bald viele Konzerte in den kommenden Monaten ankündigt und nicht nur auf vergangene Termine verweist.


Jeanette Hubert: On The Run
Ozella Music, 2012

Die süßen Seiten der Schwermut …

Wenn Musik die menschliche Gefühlswelt in seiner vielfältigen Gemengelage widerspiegeln soll,
dann muss sie auch Momente der Freude und des Leides hörbar machen können.
Freilich gelingt es nicht immer, Freud und Leid trennscharf voneinander abzuheben. Aber so manches
Frusterlebnis kann ja schließlich im Nachhinein einen Lustgewinn bedeuten oder für kreative
Impulse sorgen.
Die vier Musiker von „Trio Bravo +“ verleugnen ihre osteuropäische Herkunft keineswegs in
ihrem künstlerischen Wirken. Ihr musikalischer Spielwitz ist dabei schier unbändig; er zeigt sich
teilweise sogar in der Namensgebung für ihre Kompositionen. Ihre Stücke heißen etwa „Rondo
Ukraine“ oder „Fernes Irland“, „Wolga-Flüsschen“ oder „Wiener Würstchen“.
Das jüngst erschienene gleichnamige Album von „Trio Bravo +“ bietet eine Art Werkschau ihres
bis dato 15-jährigen Schaffens in Form von Neueinspielungen von „Klassikern“ aus ihrem
Repertoire sowie einiger neuer Titel.
Die vier Virtuosen an den Saiten- und Tasteninstrumenten (Mark Chaet/Violine, Giorgio
Radoja/Piano, Sergej Sweschinskij/Bass, Adam Tomaszewski/Marimbaphon und Percussion)
werden hierbei noch von einigen Gastmusikern unterstützt.
„Trio Bravo +“ bringt die süßen Seiten der Schwermut zum Erklingen und bläst der verkopften
Ernsthaftigkeit nonchalant musikalische Seifenblasen ins Gesicht. Ein wirklicher
Hörgenuss…auch in „dunkleren“ Momenten!


Trio Bravo +: dto.
Ozella Music, 2012

Dem Leben musikalisch auf den Grund gehen...

Das Leben bietet uns viele Gelegenheiten, bei denen uns der sprichwörtliche Geduldsfaden reißen kann: die verspätete S-Bahn, die Anleitungen zum Aufbauen von Möbelstücken oder zum Installieren technischer Geräte, die pubertären Allüren und Allmachtsphantasien des Nachwuchses und vieles andere mehr.
Und Ungeduld kann man natürlich auch sich selbst gegenüber zeigen. Dass dies die betroffene Person regelrecht in den Wahnsinn treiben kann, darüber singt Randi Tytingvåg im Lied "Impatience". Es ist eines von elf Liedern auf der soeben erschienenen CD "Grounding". Sämtliche Lieder wurden von ihr komponiert und getextet.
Es sind keine intellektuellen Kopfgeburten, die sie uns offeriert.
Vielmehr geht sie mit Witz und Tiefgang ihrem Leben auf den Grund. "Grounding" als künstlerisches Ergründen des eigenen Lebens.
Ihre Stimme klingt frisch und unverbraucht, stilistisch bewegt sie sich zwischen den Genres Pop, Chanson, Jazz und Rockballaden.
Und der Abschluss von "Grounding" ist dann keine Bestandsaufnahme oder kein Blick zurück, sondern ein "Future Song" - ein wunderschönes Liebeslied, das nur von einem Banjo begleitet wird. Und es heißt hier:
"I need this contact to be
A future song in me."
Man könnte fast neidisch werden auf Christian. Diesem Mann hat sie als "important part of my grounding" das Album gewidmet.
Immerhin beitet die CD "Grounding" die Gelegenheit, mit einer bemerkenswerten norwegischen Musikerin in Kontakt zu kommen.


Randi Tytingvåg: Grounding
Ozella Music, 2012

Elin Furubotn

Wer bei skandinavischer Musik bei Abba und A-ha stehen geblieben ist, sollte sich durchaus mal die aktuellen Musikströmungen aus dem hohen Norden zu Gemüte führen.
Die norwegische Musikerin Elin Furubotn bietet auf ihrem ersten internationalen Album "Heilt Nye Vei" hörenswerte Lieder an, die im weiten Grenzbereich zwischen Pop und Jazz angesiedelt sind.
Die eigenkomponierten und -getexteten Lieder hat sie mit Hilfe norwegischer Musiker, unter anderem dem Saxofonisten Karl Seglem, aufgenommen. Gerade die ruhigeren, musikalisch dezent begleiteten Stücke hinterlassen den stärksten Nachklang.
In den deutschen Frühstücksradiosendern dominiert das massenkompatible, englische Liedgut. Insofern muten die norwegischen Texte, die im CD-Booklet ins Englische übersetzt wurden, beim ersten Hören sicherlich etwas ungewohnt an.
Doch wer sich auf Elin Furubotns "ganz neuen Weg" (so das titelgebende Lied) einlässt, wird mit lässig-leicht vorgetragener Musik mit lyrischem Tiefgang beglückt.
Die Seele lächelt und das Herz tanzt im Lied "Stillheten" (Stille), während "En Drom" (Ein Traum) im gleichnamigen Lied freundlich Einlass begehrt und zum Tanze auffordert.
Elin Furubotns Liedtexte zeichnen sich durch eine sehr bildhafte Sprache aus; es sind helle, pastellfarbene Töne, die sie dem Leben abschaut.
Und sie fordert dazu auf, sich im Kopf die eigenen Gedanken bunt zu färben - selbst Regenbogen kann man sich in der Gedankenwelt schaffen.
Das dazu passende Liedgut liefert Elin Furubotn praktischerweise gleich mit.


Heilt Nye Vei: Elin Furubotn
Ozella Music, 2012