Pop Out Label

Jeder ist anders betrunken …

Deutschsprachige Popmusik hat ja immer noch den Charme des Verstaubten. Wenn sich Herz auf Schmerz reimt, dann findet dies auch nur winzige Nischen im globalisierten Mainstream-Radiosender. Dass englische Musiktexte nicht per se intellektuellen Tiefgang versprühen, wird den meisten Zuhörenden in den seltensten Fällen offenbar…
Und dann beginnt das vierte Album der Berliner Künstlerin Toni Kater mit den verstörenden Textzeilen:
Jeder ist anders betrunken
Und jeder ist anders allein
Mein Herz hat längst ausgetrunken
Und abends will es nur bei dir sein.

Die Texte von Toni Kater sind kritischer geworden (vgl. die Rezension zu Toni Kater: Sie fiel vom Himmel im Blättchen Nr. 17/2012).
Während sie musikalisch zusammen mit der Bandkollegin Karen Bolage (Bass, Gitarre, Klavier) moderne, wohlklingende Popmusik präsentiert, die an manchen Stellen durch die Clavioline, einen Synthesizer aus den 30er Jahren, für überraschende Momente sorgt, entwickeln die Lieder ihre Sprengkraft erst bei mehrmaligen Hören.

So greift sie im Titelsong „N.Y. ist tot (Eigentum)“ die Totsanierung der Großstädte und die damit einhergehende Vertreibung von Kreativität und Lebendigkeit auf. Das Lied „Panzer“ hat die musikalische Anmutung eines Kinderlieds, während es die Rüstungsexporte des drittgrößten Waffenlieferanten der Welt thematisiert.
Und doch versprüht Toni Kater, bei aller Ernsthaftigkeit der Themen, nicht die moralinsaure Attitüde des politisch korrekten Liedermachers.
Ihre Lieder haben Witz… und weisen, musikalisch wie textlich, Schrägen und Kanten auf.
Wie heißt es im Song „Möglich im Traum“:
Du siehst Nashörner, die Porsche ziehen,
Kannst mit Einschusslöchern weitergehn,
Wir sind besser als wir wirklich sind,
Sehen alles scharf und sind doch blind -
Im Traum ist alles möglich.

Eingängige Melodien und kritisches Textwerk müssen kein Gegensatz sein… Toni Kater stellt dies mit „Eigentum“ eindringlich unter Beweis.


Toni Kater: Eigentum
Pop Out Label, 2015