Ehrlich gesagt …

Im „Blättchen“ Nr. 21/2013 wurde bereits die CD-Veröffentlichung „Favorite Sin“ von Carolin No gewürdigt. Im Vorfeld ihres 11-jährigen Bandjubiläums im kommenden Jahr erschien nun eine Art „Best of“ des Musiker(ehe)paars Carolin und Andreas Obieglo.
Das sympathische Singer-Songwriter-Duo hat in diesen elf Jahren genauso viele Alben veröffentlicht. „You & I“, wie immer in Eigenregie produziert, liefert nun eine komplett akustisch gehaltene Werkschau.
Der Cindy Lauper – Klassiker „Time after Time“ als einziger Fremdtitel auf dieser CD fällt eher ab. Vielleicht ist dieses Stück einfach schon zu abgenudelt.
Dieses Stigma trifft aber auf die Carolin No - eigenen Stücke beileibe nicht zu. Ohne Bandunterstützung bewirken die nur von den beiden Multiinstrumentalisten (das zum Einsatz kommende Spektrum reicht von der Ukulele bis zur Djembe) eingespielten Lieder eine intimere wie nachhaltigere Wahrnehmung.
Zwei Anspieltipps sollen besonders hervorgehoben werden: Der „Three Minute Song“ (der in der Akustikversion deutlich länger als drei Minuten ist) und das finale Stück „Ehrlich gesagt“:
Ehrlich gesagt hab ich schon lange nichts mehr ehrlich gesagt und daran was zu ändern ehrlich gesagt kontinuierlich vertagt…
Die Messlatte für künftige Veröffentlichungen liegt, ehrlich gesagt, ziemlich hoch!


Carolin No: You & I
Fuego Musik, 2017

Die musikalische Erkundung des offenen Horizonts

Aller guten Dinge sind drei. Der sattsam bekannte Spruch findet im Bereich des Jazz-Trios noch eine spezifische Besonderheit. Denn die Kombination Klavier-Bass-Schlagzeug ist die am häufigsten anzutreffende Jazz-Kombination.
Jazzkenner nehmen als Vergleichsmaßstab häufig die nach dem Pianisten Esbjörn Svensson benannte Formation „e.s.t.“. Dieses skandinavische Trio war erfolgreich wie stilbildend von 1993 bis 2008 für den europäischen Kontinent.
Und nach dem Unfalltod des Pianisten lautet die immer wiederkehrende Preisfrage für Jazzfans: Wer kann in die Fußstapfen von „e.s.t.“ treten?
Der im Frankenland lebende Pianist Jens Magdeburg hat mit seinen beiden musikalischen Partnern Gunther Rissmann (Bass) und Jens Liebau (Schlagzeug) soeben eine zweite CD-Veröffentlichung realisiert.
Diese Formation kombiniert Versatzstücke verschiedener musikalischer Richtungen zu einem kammermusikalischen Ganzen.
Auch wenn Jens Magdeburg alle Stücke komponiert hat, so sind Bassist und Schlagzeuger bei „Landscape“ keine Statisten, sondern haben ihren gleichberechtigten Part.
Und gerade die Interaktion der Musiker bewahrt die dargebotenen Stücke vor fader Routine und schafft beim Zuhörer atmosphärisch dichte Klangbilder.
Nicht nur mit dem titelgebenden Stück belegt Landscape, dass sie die Jazzmusik nicht neu erfinden, aber auch nicht als bloße Plagiatoren der großen Trio-Matadore fungieren wollen.
Mit ihrer Spielfreude werden sie sich hoffentlich noch lange ihren offenen Horizont bewahren…


Jens Magdeburgs Landscape: Open Horizon
Whope Hope Records, 2017

Schluss mit diesem Doppelleben

Beim Thema Zuwanderung geht es häufig um quantitativ oder technokratisch inspirierte „Grenzfragen“ (Wie darf oder muss die Staatsgrenze gesichert werden? Wie hoch soll ein Grenzzaun sein? Bedarf es einer Obergrenze an Einwanderern pro Jahr?). Was aber geht es in den Köpfen der betroffenen Menschen vor? Die Künstlerin Elif Demirezer geht auf eine erstaunlich offene Innenschau mit dem Album „Doppelleben“. Laut Booklet ist diese CD „…der Spiegel meiner Seele und zeigt einen tiefen Blick in meine Gefühls- und Gedankenwelt der letzten vier Jahre.“
Elif ist sozusagen ein wortmächtiger und sensibler Teil der nachgewachsenen Einwanderergeneration.
Sie wächst im Berliner Stadtteil Moabit auf und spricht in den ersten Lebensjahren nur Türkisch. Die Eltern, in den 80er Jahren als Kinder von Gastarbeitern nach Deutschland gekommen, unterhalten sich zuhause nur in der Sprache ihrer Heimat. Und parallel dazu laufen türkische Sender rund um die Uhr im Fernsehen. Doch sie hat aus diesen ersten Jahren wichtige Erfahrungen aufgesammelt und verinnerlicht: „Bis heute hat mich dieses erste Gefühl für Melodie und Musik nie verlassen. Vielleicht sagen mir auch deshalb immer wieder Leute, dass sie in meinen Songs etwas Fremdes, Orientalisches hören.“
Im Titelsong sucht sie nach einer Gesprächs- und Verständnisbasis mit ihren Eltern:
„Ich will euch alles sagen können
Damit ihr seht und versteht, wer ich bin.
Ich will euch alles fragen können
Damit ich weiß, was noch geht und wohin.
Geheimnisse anvertrauen, einen neuen Boden bauen
Den ganzen Fake aufgeben, Schluss mit diesem Doppelleben.“
Elif präsentiert jedoch keine reinen Protest- oder Abrechnungslieder. Innerliche Zerrissenheit und die Suche nach einem wahrhaftigen Leben. Starken Nachklang findet neben dem Titellied vor allem „Schwarz, Weiß, Grau“, das mit den Worten beginnt: „Es wär so leicht, wenn ich kein Chaos wär …“ oder der von Enttäuschungen gepflasterte Weg auf der Suche nach der „passenden“ Liebe im Lied „Anlauf nehmen“.
Elif zeigt, dass es gelingen kann, auch in der deutschen Sprache echte Gefühle zu zeigen. Ohne Kitsch und falsches Pathos, ohne abgedroschenen Floskeln und Phrasen, gekleidet im modernen Popmusik-Gewande.
Abschließend noch eine kleine Kostprobe aus dem bunten Reigen köstlicher Formulierungen:
„Als erstes kommt die Welt, und dann unsere Probleme…“
Mit „Doppelleben“ offeriert Elif die ehrliche und höchst subjektive Bestandsaufnahme eine Mitzwanzigerin.


Elif: „Doppelleben”
Vertigo/Capitol, 2017

Die düstere Weltenschau eines „November Boy“

In den Blütezeiten des Progressive Rock – in den 70er- und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – reüssierten Bands wie Camel, Emerson, Lake & Palmer oder Pink Floyd mit aufwendigen Konzeptalben. Die darauf enthaltenen Songs waren keine Loseblattsammlung, sondern bildeten eine Einheit. Sie behandelten Märchenstücke (Camel – The Snow Goose) genauso wie zeitkritische Anklagen (Pink Floyd – The Wall).
Für das 3-Minuten-Hitradio sind solche musikalischen Gesamtkunstwerke nicht kompatibel.
Nick & June haben nun auch ein Konzeptalbum veröffentlicht – über den „November Boy“.
Das Nürnberger Folk-Duo Nick Wolf und Julia „June“ Kalass hat sich nach dem Debütalbum „Flavor & Sin“ (2013) mit einer Bassistin und einem Schlagzeuger zu einer 4-Personen-Combo verstärkt.
Nick Wolf hat fast alle Lieder im Alleingang getextet und komponiert. Ausgangspunkt für das Album „My November My“ war eine selbst geschriebene Erzählung, aus dessen einzelnen Kapiteln dann die Songs auf dem Album entstanden sind.
Der Protagonist ist ein von der (Um-)Welt verbitterter Zeitgenosse; er fühlt sich nicht verstanden und flüchtet in eine imaginäre Welt. Es sind Reflexionen über Gefühle und gescheiterten Lieben, aber auch kluge und poetische Alltagsbeobachtungen („How the bus stop smiles at night…“ beginnt beispielsweise ein Lied).
Die Texte wurden dann in eine kammermusikalische Variante des Progressive Rocks gekleidet. Nur die weiblichen Gesangsanteile sollten künftig gesteigert werden, beim düster-melancholischen „November Boy“ und seinem „mix of fear and fear of people“ ist dieses Manko noch nachvollziehbar…


Nick & June: "My November My"
AdP Records, 2017

Musikalische Gänsehautmomente

„Gentle Giant“ war der Name einer britischen Progressive Rockband in den 70er Jahren. Und als ebensolchen Gentle Giant, also einen freundlichen Riesen, kann man auch den niederländischen Pianisten Joep Beving bezeichnen.
Der Zweimetermann mit wallendem Haar und Rauschebart scheint einem magischen Buch entsprungen. Aber wenn er sich den schwarzen und weißen Klaviertasten widmet, entlockt er diesem Instrument magische Melodien.
Die Nachrichtensender quellen über von Anschlägen und Unruhen. Joep Beving liefert hierzu das musikalische Kontrastprogramm. Er selbst konstatiert: „Die Welt ist zurzeit ein hektischer Ort. Ich habe den dringenden Wunsch, auf ganz einfache menschliche Weise mit den Leuten in Kontakt zu treten. Musik als universelle Sprache hat die Macht zu verbinden. Ich bin davon überzeugt, dass wir, ungeachtet der kulturellen Unterschiede, ein angeborenes Verständnis davon haben, was es heißt, ein Mensch zu sein. Unsere Gänsehaut zeugt zum Beispiel davon …“
Bereits als Jugendlicher trat er öffentlich auf, doch eine Verletzung des Handgelenks zwang ihn dazu, musikalisch kürzer zu treten. Und so begab er sich nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften auf den konventionellen Karriereweg. Private Zufälle brachten ihn wieder zurück auf die künstlerische Bahn.
Er komponierte ein Stück für die Beerdigung eines unerwartet verstorbenen Freundes. Wenige Zeit später erschien in Kleinstauflage „Solipsism“ als Vinylveröffentlichung. Das darauf enthaltene Stück „Sleeping Lotus“ wurde zu einem millionenfach angeklickten Hit im Internet.
Die „Deutsche Grammophon wurde nun auf ihn aufmerksam. Und so erschien „Prehension“ nun auf diesem renommierten Label.
Es sind gefühlvolle Melodien, aber deutlich jenseits des Kitschfaktors, die Joep Beving seinen Zuhörern offeriert. Den Verrücktheiten dieser Welt setzt er die Schönheit seiner musikalischen Kompositionen entgegen – Gänsehautmomente für empfindsame Ohren!


Joep Beving: "Prehension"
Deutsche Grammophon, 2017

Norwegische Musik in englischsprachigen Interpretationen

Pop- und Jazzmusik aus skandinavischen Gefilden findet hierzulande immer mehr Anklang. Wer sich jedoch nicht nur an der Musik und der Wortmelodie erfreuen will, tut sich natürlich schwer, wenn die Leider beispielsweise auf Norwegisch gesungen werden.
Die Sängerin Live Maria Roggen und der Pianist Helge Lien wollen mit ihrem neuen Album „You“ einigen dieser Lieder über die Grenzen ihres Landes hinaus helfen. Setzten sie bei ihrem Debütalbum 2011 noch auf die eigene Muttersprache, so interpretieren sie nun Texte von nordischen Musikerkollegen in Englisch.
Das Ergebnis überrascht positiv und verzaubert vom ersten Ton an.
Neben der exzentrischen wie populären Musikerin Björk interpretiert das Duo Roggen & Lien auch Stücke von Jon Eberson, Sidsel Endresen oder Roger Andreassen, die außerhalb Norwegens nur wenigen Insidern bekannt sein dürften.
Die Neuinterpretationen werden einfühlsam und pointiert in Szene gesetzt. Die stimmliche Bandbreite Roggens wie auch die perfekte Pianobegleitung Liens wechseln auch ohne qualitative Mängel die Musikstile. Hervorstechend ist sicherlich ihre Version des Björk-Songs „Scatterheart“.
Und auch textlich sind Stiländerungen deutlich erkennbar: vom sentimentalen „Just a little Teardrop“ bis zum metaphorisch-agitatorischen „Should have known better“.
Ein kleiner Textauszug hieraus zur Illustration:
“You should have known better
Than to end up being no better
No better than the politicians
No better than the other fucking fools
Until you throw it away
And try to find another way
To make it all better
You’ll be heading the same old way”

Wer es also besser wissen will, sollte unbedingt beim Duo Roggen & Lien hinein hören!


Live Maria Roggen & Helge Lien: "You"
Ozella Music, 2017

Eine musikalische Weltreise mit Blechbläsern

Blechblasmusik und Bayern sind ja nicht nur alliterarisch gesehen eine feste Verbindung.
Doch wer sich bei LaBrassBanda auf volkstümliches Liedgut einstellt, wird angenehm (oder unangenehm) enttäuscht.
Denn diese sieben Blechbläser sind seit 2007 eifrig dabei, aus ihren Blechblasinstrumenten einen neuen und ungewohnten Sound zu entlocken. Was zunächst die musikalischen Traditionshüter in Bayern bis ins Mark erschütterte, erfasste spätestens 2013 beim deutschen Vorentscheid zum European Songcontest den Rest der Republik. In über 1000 Konzerten übertrug sich die Begeisterung auf das Publikum.
Zum 10-jährigen Bandjubiläum präsentieren sie ein energiereiches neues Album. Sie kreieren keinen eigenen Musikstil, aber ein Reggae-Lied würde man wohl nicht unbedingt von Blechbläsern erwarten.
Und es gibt ein angejazztes Liebeslied mit Didgeridoo-Fundament genauso wie Lieder mit Soul-, Hiphop- oder Punktönen.
Und wer nicht nur mitwippen oder mittanzen, sondern auch mitsingen mag: Im beigefügten Booklet können die Texte in bayerischer Mundart nachgelesen werden.
Und bei allen Spaßelementen, den die barfüßigen Blechbläser in Lederhosen und T-Shirts zelebrieren: sie spielen Blasmusik auf höchstem Niveau!


LaBrassBanda: "Around the World"
RCA, 2017

Vom Einfluss einer Schamanin im Schlaf

Welche Musik ist von einer Musikerin zu erwarten, die in Paris geboren ist, deren Eltern Senegalesen sind und die sich Rom zu ihrem aktuellen Hauptwohnsitz ausgewählt hat …?
Gleich beim ersten Hören fällt die betörende Stimme auf, eine authentisch klingende Stimme wohlgemerkt, nicht eine dieser gekünstelten „Radio-Gute-Laune-Stimmchen“.
„Storyteller“ als Eingangslied bringt es schon im Liedtitel zum Ausdruck: Awa Ly ist eine Geschichtenerzählerin – sie singt Geschichten über Liebe und Freundschaft.
Die Liebe als globales Phänomen findet sich in vielerlei Facetten – mal zu viel Liebe, mal zu wenig; mal leidenschaftlich, mal zerstörerisch …
In ihren Liedern wird sie bei ihren musikalischen Streifzügen von verschiedenen Musikern und höchst unterschiedlichen Instrumenten begleitet. Neben Gitarren, Percussion und Piano sind dies zum Beispiel Senza, Kora oder die chinesische Laute Erhu.
Das Booklet enthält persönliche Kommentare von Awa Ly zu ihren zehn Liedern. Motive und Hintergründe zu den Songs werden so nachvollziehbar gemacht: Welchen Einfluss auf die Musikerin eine Schamanin im Schlaf genommen hat (im Lied „Storyteller“), das sprechende und sorgende Mutterherz an den Sohn, der zur Flucht aus der Armut gewillt ist („Here“) oder ein Übermaß an (einseitiger) Liebe in „Let me love you“.
Die CD „Five an A Feather“ bietet textlichen Entdeckerstoff für sensible Zeitgenossen. Und leicht wie eine Feder wechselt Awa Ly die Musikstile von Jazz, Blues und Soul.


Awa Ly: „Five and A Feather”
Naïve/Indigo Records, 2017

Vom Lebensmotto der Spargelkönigin

Die CSU repräsentiert gemeinhin als omnipräsente Staatspartei den Freistaat Bayern und das bayerische Lebensgefühl, so zumindest das Credo der christsozialen Protagonisten.
Es ist bedauerlich, dass speziell der „Rest“ der Republik nicht so recht wahrzunehmen mag, dass es eben auch ein anderes Bayern gibt.
Nicht jeder Landwirt und jeder Dorfbewohner in diesem Bundesland ist ein lebenslänglicher CSU-Wähler – und was Denken und Alltagshandeln betrifft, so finden sich häufig reichlich anarchische Momente im tiefschwarzen Süden.
Ein vorzüglicher Vertreter dieses „anderen Bayern“ ist der Liedermacher Georg Ringsgwandl. Seine Vita allein – vom Oberarzt der Kardiologie am Klinikum Garmisch-Partenkirchen bis hin zum professionellen Musiker – determiniert ihn für schräges Kulturgut, das er mit seinen selbst komponierten und getexteten Liedern seit vielen Jahren auch praktiziert. Eine kleine Anekdote zu seinen musikalischen Anfängen: Zur Musik kam er durch das Zitherspiel, das Musikinstrument bekam er im Alter von acht Jahren von einer Tante.
Was andere Rockmusiker als „Unplugged“-Musik verkaufen, hat er nur als „Wohnzimmerfunk“ realisiert und sich damit im abgelaufenen Kalenderjahr einen lang gehegten Wusch erfüllt: die simpel anmutende Idee, ein Musikalbum in einem Wohnzimmer aufzunehmen. Ohne Schallschutzmaßnahmen entstand so die CD „Woanders“ in einer Altbauwohnung. Es bedurfte dann auch nur einer knappen Woche, bis die Aufnahmen abgeschlossen waren.
Die Lieder auf dieser CD handeln u.a. von der „Spargelkönig“ (deren Lebensmotto lautet: „…Es könnte schlimmer sein…“), von dem Wunsch „In mein‘ nächsten Leben wer‘ i a Koda (Kater)“ und von vielen negativen Vorfällen, die laut Titelsong „woanders“ passieren („…aber net bei uns dahoam“).
Ein sehr ruhiges Album, aber mit vielen schrägen Tiefsinnigkeiten garniert, wenn ein Kardiologe den bayerischen Alltag seziert…


Georg Ringsgwandl: „Woanders”
Blanko Musik, 2017

Musikalische Inspirationen durch Friedhofsarbeit

Ein herausragendes Album aus dem Kalenderjahr 2016, in dem ja viele Musikheroen – von Prince bis Leonard Cohen – verstorben sind?
Es lohnt hier wieder mal den Blick gen Norden richten.
Christian Kjellvander hat hierzulande immer einen Geheimtipp-Status. Der Musiker hat vor einigen Jahren in Österaker, einem winzigen schwedischen Dorf, eine alte Kirche gekauft. Und dort hat er zusammen mit seiner Band die CD „A Village: Natural Light“ aufgenommen.
Der Kirchenraum bietet ein stimmiges Ambiente für dieses Werk – und gleichzeitig eine akustische Verstärkung für das Album. Das melodisch-melancholische Gitarrenspiel wie auch die markante, tiefe Stimme des Bandleaders verweben sich zu einem dichten Klangteppich.
Nicht Weltschmerz und die Sehnsucht nach exotischen oder heilen Welten bestimmen die Lieder. Im Fokus steht „the village“ (das Dorf). Der Blick auf sich selbst, auf die Familie und die Freunde bedarf keiner grellen Großstadtilluminationen.
Interessanterweise hatte Christian Kjellvander in der Zeit, als diese Songs entstanden sind, einen Teilzeitjob auf einem Friedhof angenommen. Möglichst handfeste Arbeit als Basis für musikalische Kreationen. Und das Dorf als Mikrokosmos der Welt, in der wir leben und eines Tages auch sterben.
Christian Kjellvander widerstrebt affektiertes Gehabe und Wichtigtuerei.
„Please forget me, when I’m gone. I was never here…“ heißt es im Lied „Riders in the Rain“.
Nein, diese Musik wirkt nach, wirkt länger – und hinterlässt Spuren.


Christian Kjellvander: "A Village: Natural Light"
Tapete Records, 2017